Alles gelernt
- niklas_reinecke
- 11. Juni 2024
- 2 Min. Lesezeit
Rückblickend betrachtet war der Betrieb in Bückeburg, in dem ich meine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft absolvierte, ein wahrer Glücksgriff. Wäre ich in Berlin geblieben, wer weiß, ob ich so viel gelernt hätte wie dort.
Ihr solltet wissen, in Berlin und in anderen Großstädten, arbeiten sehr viele Bestatter mit Subunternehmen zusammen. Hier wird ein wichtiger Teil der Arbeit ausgelagert, nämlich alles, was mit dem Verstorbenen zu tun hat. Von der Überführung vom Sterbeort, dem Waschen und Ankleiden, die Kühlung und natürlich auch die Weiterfahrt in das Krematorium oder auf den Friedhof. Damals, 2010, wusste ich das bereits, denn bei einem solchen Subunternehmen hatte ich als Sargträger gejobbt.
Was dies tatsächlich bedeutete, erfuhr ich erst, als ich in der Berufsschule das erste Mal meine Klassenkameraden traf. Mitschüler aus Berlin haben im Laufe der 3 Jahre berichtet, dass Sie diese wichtigen Tätigkeiten entweder gar nicht lernen oder nur für eine kurze Zeit bei einem Subunternehmen mitarbeiteten, um ein "Gefühl" dafür zu bekommen. Die Erfahrung, einen Verstorben aufwendig herzurichten, damit sich die Familie am offenen Sarg verabschieden kann und zu wissen, was für eine wichtige Arbeit man geleistet hat, konnten sie nie machen. Ich erinnere mich noch gut, wie wir (mein damaliger Chef und ich) einen jungen Familienvater gewaschen und hygienisch versorgt haben, die Wunden vernäht, mit entsprechendem Wachs behandelt, und die Verunstaltungen durch den Motorrad-Unfall verdeckt haben, damit seine Frau und die beiden Kinder ihn noch ein letztes Mal sehen konnten.
Auch das handwerkliche Geschick wurde nicht vernachlässigt. So lernte ich beispielsweise, wie man einen Sarg ausschlägt, also Material einbringt, das Feuchtigkeit aufnimmt und die Bespannung korrekt faltet und im Sarg anschlägt oder einen Zinksarg für eine Überführung in das Ausland verlötet. Ebenso konnte ich im Laufe der Ausbildungszeit ein gutes Feingefühl für die Dekoration von Trauerhallen und Kirchen entwickeln, nicht zuletzt dank meines damaligen Chefs, mit dem zusammen ich oftmals schon eine oder zwei Stunden vor Beginn der Zeremonie auf dem Friedhof eintraf, um die Dekoration bis in das letzte Detail zu perfektionieren.
Mit am wichtigsten in dem Beruf sind die Beratungsgespräche mit den Angehörigen. Hier geht es um fachliches Wissen über die Gesetze und landesspezifischen Bestimmungen und um Empathie und Fingerspitzengefühl für die Situation, in der sich die Familie gerade befindet. Im Allgemeinen werde ich als sehr empathischer Mensch beschrieben, sodass mir mein damaliger Chef bereits vor Ende des ersten Ausbildungsjahres zutraute, Beratungsgespräche mit den Angehörigen alleine und ohne seine Aufsicht zu führen. Durch dieses Vertrauen wurde ich souverän im Umgang mit trauernden Familien und kann bei Beratungsgesprächen fachlich korrekt und ebenso empathisch auftreten.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Gesellenprüfung zog es mich wieder zurück nach Berlin, wo ich seitdem lebe und arbeite.
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